Strukturierte Feedback-Analysen wie Retrospektiven lassen sich im Unternehmen schon mit einfachen Mitteln realisieren. Zur Durchführung genügen Klebezettel und ein Flipchart oder Whiteboard. Damit lässt sich jedes Projekt optimieren!
Systematische Retrospektiven verbessern die Projektkommunikation und sichern Wissen im Unternehmen, indem Erfahrungsberichte mit allen Mitarbeiter/innen im Unternehmen geteilt werden.
Wie die Weitergabe von Wissen innerhalb des Unternehmens in Wertschöpfungspotenzial umgewandelt werden kann, berichtet dieser Beitrag.
In nahezu 80 Prozent aller deutschen Unternehmen kommt die agile Methode Scrum bereits zum Einsatz, so eine Studie der Bitkom Research 2018. Eines der wichtigsten Kernelemente des Frameworks ist die Retrospektive, eine teaminterne Feedbackanalyse am Ende eines Projektes. Auch Adacor setzt auf diese agile Methode zur kontinuierlichen Verbesserung der internen Prozesse. So wurde Scrum bereits 2015 in der Entwicklungsabteilung etabliert. Das Framework erleichtert nicht nur das Vorgehen in Projekten, sondern sorgt auch für eine Optimierung der Abläufe. Die Retrospektive funktioniert dabei so gut, dass die Anwendungsmöglichkeiten jetzt auf andere Bereiche wie Technology Operations, Marketing und People Operations ausgeweitet wurden.
Eine Retrospektive wirkt auf mehreren Ebenen
Die systematische Feedbackanalyse sichert Know-how durch Erfahrungsaustausch: Erst die explizite Beschreibung von Erfahrungen macht ihre Dokumentation möglich. Dabei können negative Erfahrungen, Misserfolge oder Stolpersteine ebenso Wissen produzieren wie positive Erkenntnisse. Meist gehen die gewonnenen Erkenntnisse über das rein Fachliche hinaus und liefern neue Ansätze zur Projektsteuerung, Techniken zur Problemlösung oder zur Teamkommunikation. Daraus resultiert wertvolles Wissen, das innerhalb des Unternehmens enormes Wertschöpfungspotenzial birgt.
Eine Retrospektive optimiert Arbeitsabläufe: Ist erst einmal benannt, an welchen Stellen im Projektverlauf Schwachstellen, Fehler oder Verzögerungen aufgetreten sind, können diese analysiert und in Zukunft vermieden werden.
Die systematische Feedbackanalyse liefert gleichzeitig neue Ideen und gibt Anstöße für Verbesserungsprozesse. Konnten die Teammitglieder eine Herausforderung besonders effizient und schnell lösen, sollten sie dies nicht als glücklichen Zufall „abhaken“, sondern die Lösung dediziert beschreiben und für die Zukunft nutzen.
Eine Retrospektive verbessert die Projektkommunikation: Missverständnisse, versteckte Konflikte oder Schwankungen im Gruppenklima lassen sich nur aufklären, wenn alle Teamplayer regelmäßig ihr Verständnis zu verschiedenen Themen gezielt und gesteuert überprüfen und abgleichen.
Konkreter Ablauf einer Projektreflektion
Die Teams von Adacor nutzt Retrospektiven bereits im Rahmen von Scrum am Ende eines sogenannten Sprints. Dazu findet sich jedes Team an einem festgelegten Tag für ein bis zwei Stunden zusammen. Die Organisation und Moderation des Events übernimmt der Scrum Master. In der Retrospektive reflektieren alle Teammitglieder ihre Erfahrungen und benennen Erfolge, Fehler und Risiken, die sich im Projektverlauf ergeben haben. Anschließend verdichten sie ihre Erfahrungen und entwickeln Maßnahmenansätze für andere laufende oder zukünftige Projekte, die in diesen möglichst zeitnah implementiert werden. Wichtig ist, dass Retrospektiven einfach, schnell und konkret durchgeführt werden – ohne viel Aufwand. Dabei stehen für die Durchführung zahlreiche Datensammlungs-, Verdichtungs- und Lösungsfindungsmethoden zur Verfügung.
Retrospektive in vier Schritten – ein Beispiel
Die folgenden vier Schritte zeigen dafür ein Beispiel.
1. Erfahrungen sammeln
Zunächst sammeln alle Projektbeteiligten ihre Eindrücke. Der Scrum Master unterstützt sie, ihre Erfahrungen innerhalb von etwa fünf Minuten auf Post-its zu schreiben. Die Ergebnisse werden anschließend an einem Flipchart, zum Beispiel unter den drei Kategorien „MAD“, „SAD“ und „GLAD“ eingeordnet. Beim Brainstorming kann jeder Punkte nennen, die in die drei Kategorien passen. Dabei beantworten die Teammitglieder Fragen wie „Was hat mich im Projektverlauf geärgert oder aufgeregt?“, „Was ist misslungen?“, „Was hat besonders gut funktioniert?“. Ebenso finden hier Erfahrungen Platz, die auf der Schwelle zwischen zwei Kategorien eingeordnet werden können. Ein Teilnehmer nach dem anderen klebt seine Zettel unter die entsprechenden Rubriken und erläutert kurz, was mit seinen Formulierungen gemeint ist. Jeder bekommt die Gelegenheit, seine Themen vorzutragen. Eine Diskussion findet in dieser Phase noch nicht statt.
2. Ergebnisse verdichten
In einem zweiten Schritt können Zettel mit ähnlichen Themen in Clustern zusammengeheftet und die Erkenntnisse weiter verdichtet werden. Alle Teilnehmenden überprüfen gemeinsam die Zettelsammlung auf dem Flipchart-Blatt hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise: Können verschiedene Punkte bereichsübergreifend oder zu Lösungskomplexen zusammengefasst werden? Wurden entscheidende Aspekte vergessen? Wenn ja, welche? Manche Post-its werden noch einmal umgehängt, Schnittmengen durch Einkreisen markiert.
3. Maßnahmen ableiten
Anschließend können die Teilnehmenden mögliche Ursachen für Projekthemmnisse diskutieren und daraus Verbesserungsvorschläge ableiten. Der Moderator achtet dabei beispielsweise darauf, dass die Teilnehmenden Übereinkünfte schnell, sachlich und fundiert treffen. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen werden themenbasiert diskutiert und schriftlich festgehalten.
4. Verbesserungen kommunizieren
Nach der Retrospektive können die gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitenden in der Abteilung oder im Unternehmen zugänglich gemacht werden. Einige Maßnahmenvorschläge können zur weiteren Diskussion an das Management weitergeleitet werden. In jedem Fall können die Mitarbeitenden die Anregungen aus einer Retrospektive direkt in ihrem nächsten Projekt nutzen, weiterführende Lösungen mit den zuständigen Fachbereichen anstoßen oder konkrete Maßnahmenvorschläge im Unternehmens-Wiki dokumentieren.
Fazit: Wenig Aufwand, große Wirkung
Im Rahmen des Qualitätsmanagements und als Plan-Do-Check-Act-Methode zur Qualitätsentwicklung sind Retrospektiven wirkungsvolle Mittel. Haben sie sich erst einmal als Selbstverständlichkeit etabliert, helfen sie effizient, die eigene Organisation leistungsfähiger zu gestalten.
Unternehmen, die eine strukturierte Feedback-Analyse im Nachgang von Projekten als zu aufwendig betrachten, überschätzen die Vorbereitungs- und Durchführungszeit – und sie unterschätzen deutlich die Wirkung! Für die Durchführung reichen einfachste Mittel: ein Päckchen Klebezettel und ein Flipchart oder Whiteboard.
Haben sich Strukturen und Umgangsformen etabliert, dauert eine effektive Retrospektive unserer Erfahrung nach zwischen ein und zwei Stunden. In Ausnahmefällen kann der Zeitraum auch kürzer oder länger sein. Das Ergebnis sind Erkenntnisse, die Effizienz, Qualität und Mitarbeitermotivation im Rahmen von Projekten nachhaltig verbessern.
Eine team- und bereichsübergreifende regelmäßige Auswertung der Retrospektiven bietet außerdem die Möglichkeit, in Management-Reviews neue Verknüpfungen und Zusammenhänge herzustellen und Strukturverbesserungen für das ganze Unternehmen umzusetzen.