Gibt es Erfolgsfaktoren für erfolgreiches Gründen von IT-Unternehmen? Warum gibt es so wenige deutsche Internet-Startups, die langfristig zu international bedeutenden Unternehmen werden? Diese Fragen sollten jeden Gründer umtreiben.
Wenn ich mir die Startup-Szene in Deutschland anschaue, bin ich immer wieder verblüfft, wie weit sich die Eigenwahrnehmung von der Wirklichkeit unterscheidet. Da wird in Berlin nach dem „nächsten großen Ding“ gesucht, als ob man im Silicon Valley arbeiten würde. Diese Begeisterung kann ich nicht teilen, aber zumindest die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Unternehmensgründung auflisten.
Die Marktgebenheiten bestimmen den Erfolg von Startups
In der Realität ist es so, dass es aus Deutschland bisher nur ein einziges IT-Unternehmen geschafft hat, nachhaltig internationale Bedeutung zu erlangen und in der gleichen Liga, wie die großen US Unternehmen zu spielen und das ist SAP. Dann haben wir noch Copy-Cat-Samwers, aber da geht es nur ums schnelle Geld.
Warum gibt es so wenige deutsche Internet-Startups, die langfristig zu international bedeutenden Unternehmen werden?
Meiner bescheidenden Meinung nach liegt es an den Marktgegebenheiten. Dafür sprechen mindestens zwei Punkte.
- Die USA sind die bestimmende Kraft des Internets. Alle wichtigen Gremien (icann, RIPE, ISOC, W3C), die die Infrastruktur des Internets bestimmen sind amerikanisch dominiert.
- Der amerikanische Binnenmarkt ist so groß, dass junge Unternehmen schon eine beträchtliche Größe erreichen, bevor sie sich mit Internationalisierung auseinandersetzen müssen. Das ist meiner Meinung nach ein entscheidender Vorteil gegenüber den Marktgegebenheiten in Europa.
Alleine diese beiden Unterschiede erzeugen in den USA ein ganz anderes Umfeld, was Finanzierung und Wachstum neuer Internetunternehmen angeht und das können wir in Deutschland nicht mit Förderung und Subvention ausgleichen.
Ein Internet-Startup mit einer coolen Idee kann in seinem Heimatmarkt in kurzer Zeit Millionen Nutzer und Kunden gewinnen, ohne sich auf unterschiedliche Sprachen, Gesetze und Kulturen einstellen zu müssen. Diese Möglichkeit haben deutsche Gründer nur, wenn Sie das Unternehmen direkt in den USA gründen. Weiterhin ist im Silicon Valley ein einzigartiges miteinander vernetztes Umfeld entstanden. Da sind Venture Capital Firmen, große Internet-Konzerne und viele Startups, die allesamt miteinander vernetzt sind. So etwas existiert in Europa nicht.
Heißt das jetzt, wir schmeißen die Flinte ins Korn und das war es? Mitnichten! Man kann in Deutschland tolle erfolgreiche IT-Unternehmen gründen. Man sollte nur nicht vergessen, dass im Internet-Wunderland USA 99,9 Prozent der Startups nicht zu einem neuen Facebook oder Google werden. Wenn man sich von dem Gedanken verabschiedet, dass man selbst ein Steve Jobs oder ein Zuckerberg ist, dann steht einer erfolgreichen Gründung wenig im Wege.
Deutsche mittelständische Unternehmen bilden für Gründer das Rückgrat
Die deutsche Wirtschaft ist stark durch den Mittelstand geprägt, die Mehrheit der Arbeitsplätze entsteht durch mittelständische Unternehmen. Außerdem sind wir Exportweltmeister und in vielen Marktnischen Weltmarktführer. Dies sind beste Voraussetzungen für den Aufbau eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmens.
In meiner Karriere war ich selber am Aufbau von fünf Unternehmen beteiligt. Obwohl kein Unternehmen in Konkurs gegangen ist, waren die ersten beiden Versuche nur mäßig erfolgreich. Meine letzten drei Gründungen sind dagegen sehr erfolgreich. Ich habe eine steile Lernkurve hinter mir und bin kein geborener Erfolgsmensch, sondern ich musste mir den unternehmerischen Erfolg über Fehler und „Learning by Doing“ erarbeiten.
Drei wichtige Punkte für eine erfolgreiche Gründung
Das Gründerteam muss einige Voraussetzungen mitbringen, damit das Ganze funktioniert. Entscheidend sind die Idee ein funktionierendes Geschäftsmodell, Verkaufstalent und Betriebswirtschaftskenntnisse. Aber es kommen einige wichtige Punkte hinzu.
1. Langer Atem
Der erste Punkt ist der wichtigste. In allen Projekten, in die ich involviert war, habe ich die Erfahrung gemacht, dass alles viel länger dauert als geplant. Das Worstcase-Szenario und dann alles mal Zwei kommt ungefähr hin. Dies ist der Grund, warum vielen Startups mit großem Potenzial die Luft ausgeht. Es fehlt am langen Atem. Alle drei erfolgreichen Unternehmungen, in denen ich aktuell involviert bin, würden gar nicht mehr existieren, wenn wir keinen langen Atem hätten.
Ein VC, der in 30 Unternehmen investiert ist, kann es sich leisten, wenn nur fünf oder sechs langfristig überleben und zwei oder drei erfolgreich werden. Aber als Gründer, der all sein Geld, seine Arbeit und Leidenschaft in ein Projekt steckt, kann ich mir eine Überlebenschance von zehn Prozent einfach nicht leisten. Deshalb braucht jede gute Idee und jedes gute Startup einen langen Atem. Das heißt langfristige Finanzierung und schnelle Profitabilität vor überzogenen Wachstumsambitionen.
2. Unabhängigkeit
Natürlich kann ich mein Startup mit VC-Geld finanzieren und erfolgreich sein. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass mein Unternehmen dann überlebt ist nicht sehr hoch. Die Fragen lauten dann: Welches Risiko bin ich bereit einzugehen? Wie sehr bin ich von mir und meiner Geschäftsidee überzeugt. Wenn ich mich für den deutschen Zuckerberg halte – kein Problem. Wenn ich eher meine, dass es vielleicht länger dauert als im Businessplan vorgesehen, dann sollte ich vorsichtig sein.
Der beste Weg ist, möglichst schnell genug Geld zu verdienen damit man am Markt überleben kann und von dort aus weiterzugehen. Das geht wirklich! Vielleicht muss man in den ersten zwei oder drei Jahren noch Kompromisse machen und Projekte, die nicht zum eigentlichen Geschäftsmodell passen umsetzen, nur um Geld zu verdienen. Dafür ist man aber unabhängig. Wenn ich dazu nicht in der Lage bin oder keine Lust dazu habe, würde ich mir die Frage stellen, ob ich wirklich Unternehmer sein möchte.
3. Ein richtiges Geschäftsmodell
Für die Gründung eines erfolgreichen mittelständisch geprägten Startups ist ein tragfähiges Geschäftsmodell von Anfang an elementar. Der Ansatz erst einmal viele User zu generieren und sich dann zu überlegen, wie man das monetarisiert ist nur in ganz wenigen Fällen nachhaltig erfolgreich gewesen. Mir fallen da nur Google und Facebook ein. Twitter legt an der Börse zwar auch eine immense Kapitalisierung hin, aber ob das Geschäftsmodell wirklich funktioniert wird die Zukunft zeigen … Natürlich gab es da noch die Firmen, die erfolgreich verkauft haben, z.B. Youtube, tumblr. usw., aber die sind in das Geschäftsmodell des Käufers integriert worden. Das funktioniert nur mit massiven Mitteln von VCs im Rücken. Auch hier gilt: nur ein Bruchteil der Gründungen überlebt oder wird erfolgreich verkauft.
Ein funktionierendes Geschäftsmodell ist das A und O
Mir als Unternehmer, der von den Einnahmen meiner Firma leben muss, ist das zu risikoreich. Wenn die Chancen kleiner 50/50 stehen, kann ich auch ins Casino gehen. Wenn ich allerdings von Anfang an ein tragfähiges Geschäftsmodell habe und dies schnell ans Laufen bekomme, habe ich es selbst in der Hand etwas daraus zu machen und langfristig zu wachsen. Natürlich sind die Wachstumsaussichten ohne einige Millionen im Rücken etwas überschaubarer. Eine weltweite Expansion muss dann warten, bis wirklich Geld verdient wird. Aber ich habe auch nicht die Mehrheit an Investoren verkauft, die ganz andere Ziele haben als ich selber.
Der Beitrag ist zuerst im August 2014 bei Deutsche Startups erschienen.