Thomas Wittbecker, geschäftsführender Gesellschafter von Adacor, klärt Sie in einem kurzen Video über die häufigsten Irrtümer über die Cloud auf.
Ein grundlegender Irrtum liegt bereits in dem Eindruck, es gebe „DIE Cloud“.
Selbst wenn in den Medien verkürzt von Cloud gesprochen wird, handelt es sich in Wahrheit um ganz unterschiedliche Serviceangebote, die SaaS, IaaS oder PaaS sein können und nur wenig gemeinsam haben.
Der große Vorteil der Cloud gegenüber klassischer Infrastruktur liegt in der flexiblen Nutzung von Ressourcen. Doch es lauern viele Fallstricke, die ich in meinem Video aufs Korn nehme.
Natürlich gibt es mittlerweile viele Menschen, die sich wirklich gut mit Cloud-Diensten auskennen und damit sinnvolle Sachen machen. Doch Vorstellungen, die mir manchmal im Management begegnen, sind eher von Visionen und Marketingaussagen geprägt, als von der Realität.
Als CEO kann ich Theorie und Praxis gut vergleichen. Das brachte mich auf die Idee, die häufigsten Irrtümer über die Cloud aufzulisten.
Episode #4 von „Things To Say“ die 6 Irrtümer über die Cloud
Irrtum 1: Günstigster Preis gleich bestes Angebot
Auf den ersten Blick erscheint die Auswahl eines Cloud-Anbieters recht einfach. Man vergleicht Preis und Leistung, wie viel RAM, CPU und Storage bekomme ich für welchen Preis. Damit fängt das Dilemma an.
Wir leben in einer virtualisierten IT-Welt und Cloud. Virtualisierte Server, Storage und Netzwerk sind nicht greifbar. Es gibt keine einheitlichen Leistungsparameter, über die ich Preis und Leistung wirklich vergleichen kann. Wie viel CPU-Leistung meine VM im praktischen Einsatz wirklich besitzt und ob diese auch immer bereitsteht, wenn ich sie brauche, erfahre ich nur in der Praxis oder durch umfangreiche Tests. Gleiches gilt für IO-Performance meines Speichers. Es braucht also viel praktische Erfahrung, um das beste Preis/Leistungsverhältnis für ein bestimmtes Projekt zu bestimmen.
Sobald dann die Projekte etwas komplexer werden, wird auch das Preismodell komplexer. Gerade bei AWS gibt es unglaublich viele Parameter, die den Preis beeinflussen. Das führt zu der Situation, dass es selbst erfahrenen Cloud-Nutzern nicht mehr möglich ist, die Kosten eines Projektes im Vorhinein präzise zu bestimmen.
Irrtum 2: Cloud ist immer günstiger
Die Erwartungshaltung eines Einkäufers oder Entscheiders lautet üblicherweise: Ich gehe in die Cloud und alles wird billiger. Das kann tatsächlich so sein, muss aber nicht. Der Vorteil der IaaS-Anbieter (Infrastructure as a Service) liegt in der flexiblen Nutzung von Ressourcen und deren Skalierung. Damit kann man beim passenden Szenario in der Tat Kosten sparen. Wenn man aber keine flexiblen Anforderungen hat (und das ist überraschend häufig der Fall), keine Skalierungsszenarien, sondern durchgehend und längerfristig eine bestimmte Performance benötigt, dann kann ein klassischer Betrieb auf eigener Hardware deutlich günstiger sein. Gerade dann, wenn das Unternehmen ein eigenes oder gemietetes Rechenzentrum einsetzt und über ein Team aus guten Administratoren verfügt.
Beispiel: eine klassische interne Business-Anwendung mit leistungsfähiger Datenbank. Sie wird auf zwei oder drei gleichbleibenden, leistungsfähigen Servern installiert und steht 24×7 zur Verfügung. Das muss auch so sein, damit auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten darauf zugegriffen werden kann. Wenn man so etwas in die Cloud verlagert, müsste man es genauso abbilden und würde weder von der Flexibilität, noch von den Skalierungsmöglichkeiten profitieren. Wenn Rechenzentrum und Administratoren schon vorhanden sind bin ich mir sicher, dass der Betrieb auf eigener Hardware mit eigener Infrastruktur günstiger ausfällt.
Wir verfügen als Hosting-Unternehmen über das komplette Instrumentarium und wir setzen dennoch nicht alles mit Cloud-Technologien um. Häufig bietet der klassische Ansatz einfach ein besseres Preis/Leistungsverhältnis. Auch wenn das den Einkauf manchmal irritiert.
Irrtum 3: Wechseln kann man immer
Es entsteht oft der Eindruck, dass IaaS-Angebote weitgehend technisch vergleichbar sind und man jederzeit wieder wechseln kann, wenn man unzufrieden ist. Die Anbieter haben ja die gängigsten Linux-Distributionen und Datenbanken parat. Für einfache Projekte stimmt das auch, aber sobald Projekte komplexer werden und die eigentlichen Vorteile des Anbieters genutzt werden sollen, sieht das anders aus.
Cloud-Plattformen wie AWS von Amazon, Azure von Microsoft oder Google Cloud bieten alle erforderlichen Schnittstellen, über die alle Funktionen angesprochen werden können und machen damit eine weitgehende Automatisierung möglich. Darin liegt einer der wahren Vorteile solcher Plattformen; allerdings macht sie das auch inkompatibel. Die Konzepte beim Loadbalancing, Netzmanagement und Firewalling unterscheiden sich deutlich, was es auch nicht einfacher macht.
Man kann sich das wie bei verschiedenen Betriebssystemen vorstellen. Eine Anwendung muss man ja auch auf MacOs oder Linux portieren, wenn sie unter Windows entwickelt wurde. Am Ende designt man ein größeres Projekt genau auf die Cloud-Funktionalität einer Plattform hin. Wenn man sich dessen bewusst ist, macht das auch Sinn. Aber der Wechsel zu einem anderen Anbieter ist danach nur mit einem Projekt-Re-Design möglich.
Irrtum 4: Ich habe ja 99,99% Verfügbarkeit
Alle großen Anbieter werben mit ihrer hohen Verfügbarkeit. Meistens 99,99%. Also kann ja nicht mehr viel schiefgehen. Wenn man sich dann die SLAs etwas genauer anschaut, relativiert sich das etwas. 99,99 auf den Monat oder auf das Jahr? Da muss man schon in das Kleingedruckte schauen. Da steht dann natürlich auf das Jahr. 99,99% ist daher eher eine Zielverfügbarkeit. Der eine gewährt je betroffenen Service pro Monat 10% Rückzahlung, andere erstatten die Ausfallzeit nicht. Zumindest in Deutschland wäre es auch schwierig, Geld für eine nicht erbrachte Leistung einzufordern. Es handelt sich also eher um Marketingaussagen, als um wirkliche Leistungsversprechen. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass alle Anbieter schlechte Verfügbarkeiten haben, aber man hört und liest immer wieder von Ausfällen – auch bei den großen Anbietern -, die über Stunden und Tage andauern, und darauf muss man sich einrichten. Über die Risiken und Nebenwirkungen von SLA habe ich letztlich einen Beitrag verfasst.
Natürlich ist es möglich auf Basis eines IaaS-Anbieters eine wirklich hochverfügbare Plattform zu bauen. Aber das muss schon in der Konzeption der Applikation angelegt sein. Dann kann man von den verteilten Infrastrukturen der Anbieter wirklich profitieren. Aber das geht nicht von allein.
Irrtum 5: In der Cloud sind meine Daten sicher
An dieser Stelle mache ich es kurz. In der Cloud sind Daten nicht sicherer als in einer eigenen Infrastruktur. Applikationen und Server können genauso gehackt werden, ein Filesystem kann kaputtgehen, ein Backup schiefgehen usw.
Irrtum 6: Wo genau die Daten liegen, kann mir doch egal sein. Hauptsache sicher.
Leider gibt es zwischen den deutschen Datenschutzgesetzen und den amerikanischen Regularien grundlegende Konfliktedie dazu führen, dass sich ein deutsches Unternahmen angreifbar macht, wenn es personenbezogene Daten bei einem amerikanischen Anbieter unverschlüsselt hostet.
Zurzeit führt das zu interessanten Konstellationen. Um dem deutschen Datenschutzrecht zu genügen, hostet beispielsweise T-System hierzulande mit Azure den Mitbewerber Microsoft.
Fazit: Angebote konkret hinterfragen
Abschließend bleibt zu sagen, dass uns Cloud-Anbieter viele neue, tolle Optionen bieten und auch unseren Umgang mit IT verändern. Aber nicht jede Vision oder jede Marketingaussage bewährt sich in der Praxis. Es lohnt sich also, gängige Meinungen und vor allem Marketingaussagen in Bezug auf das eigene Projekt konkret zu hinterfragen.